Reklamationen zur Qualitätssteigerung nutzen
Der Verein Gastlichkeit in Südtirol hat in Zusammenarbeit mit der HGV-Unternehmensberatung eine Artikelserie zum Thema „Service Excellence“ ausgearbeitet. Dies ist Teil 5 von 5.
Mit Beschwerden aktiv umgehen
Reklamationen und Beschwerden gelten häufig als Schreckgespenster für Hoteliers und Gastwirte. Anders betrachtet sind sie im Grunde aber kostenlose Unternehmensberatungen. Grundsätzlich sollten Unternehmen daher eher für jede Reklamation und Beschwerde dankbar sein, denn sie sind ein nicht zu unterschätzendes Mittel zur Qualitätssteigerung. Doch worin liegt der Unterschied zwischen Reklamation und Beschwerde? Die Reklamation ist eine objektive Fehlleistung oder ein nachprüfbarer Mangel, der keine individuelle Auslegung zulässt. Wenn im Restaurant ein Tisch wackelt, dann wackelt er. Eine Beschwerde hingegen lässt subjektive Wahrnehmung zu. Wenn ein Gast sagt, der Mitarbeiter sei unfreundlich, kann das zum einen objektiv wahr sein, es kann andererseits eine Auslegung des Gastes ein. Dies gilt es herauszufinden. Die Unterscheidung ist insoweit wichtig, als sie eine unterschiedliche Herangehensweise erfordert. Grundsätzlich gliedern sich Reklamationen und Beschwerden in drei Phasen: Prävention (Vorsorge, Fehlervermeidung), eingetretener Fall, Nachsorge. Bei der Vorsorge gilt es einheitliche Qualitätsstandards zu definieren (siehe Artikel 4 der Serie). Diese sollten auf der Grundlage von Erfahrungen, Gästebefragungen, vorausgegangenen Reklamationen oder Beschwerden, Unternehmensphilosophie sowie Umsetzbarkeit definiert sein. Wenn es zu einer Reklamation oder Beschwerde kommt, heißt es richtig damit umzugehen. Hierzu bedarf es geschulter Mitarbeiter mit einem gewissen Handlungs- und Entscheidungsspielraum. Meistens sind es immer wiederkehrende und dem Unternehmen sehr wohl bekannte Situationen und Vorfälle, die zu Reklamationen und Beschwerden führen. Es empfiehlt sich, diese klar zu definieren und eine Wiedergutmachungsliste zu erstellen. Das ist die Voraussetzung, um den Handlungsrahmen der Mitarbeiter klar abzustecken, und verhindert bei gleichen Reklamationen unterschiedliche Handlungsweisen. In der Regel umfasst die Liste ca. 10 bis 15 Punkte in verschiedenen „Härtegraden“. Beispielsweise wenn die Dusche nicht funktioniert, definiert man als erste Wiedergutmachung ein anderes Zimmer –wenn verfügbar –, als zweite Option die Reparatur und ein kleines Giveaway.
Eine Entschuldigung kann teuer sein Eine Geste der Entschuldigung kann manchmal die Gemüter beruhigen. Man muss sich jedoch bewusst sein, dass eine Entschuldigung auch immer ein Schuldeingeständnis ist. Das ist bei einem lauwarmen Kaffee sicher angebracht, der Schaden lässt sich überblicken. Schwieriger wird es, wenn wir von einem Bankett mit 150 Gästen reden. Dann kann ein voreiliges Schuldeingeständnis ganz schön ins Geld gehen. Also bei dem Wort Entschuldigung immer kurz nachdenken: Was könnte mich das kosten?
Die richtige Vorgehensweise Signalisieren Sie dem Gast, dass sein Wunsch, seine Reklamation oder seine Beschwerde bei Ihnen an der richtigen Adresse ist und dass Sie sein Anliegen ernst nehmen. Hören Sie aktiv zu und lassen Sie den Gast ausreden. Bedanken Sie sich beim Gast, dass er mit seinem Anliegen zu Ihnen gekommen ist. Keine Schuldzuweisung, weder an den Gast, noch an Kollegen. Erkundigen Sie sich stattdessen nach Details zum Hergang und der Situation. Entschuldigen Sie sich – aber nur, wenn die Kosten Überschaubar sind. Erklären Sie die Situation bei Bedarf. Halten Sie sich dabei nicht zu lange mit dem Problem auf, sondern gehen Sie zur Lösung über. Vereinbaren Sie mit dem Gast die weitere Vorgehensweise. (Notanker: Wenn der Gast mit Ihrem Lösungsvorschlag nicht einverstanden ist, fragen Sie ihn, was er sich vorstellen könnte.) Und das Wichtigste: Die O.-K.-Frage. Nachdem Sie mit dem Gast eine Lösung erörtert haben, fragen Sie ihn unbedingt, ob damit das Anliegen für ihn gelöst ist. Damit gibt der Gast Ihnen eine „geistige“ Unterschrift, und es wird verhindert, dass er später (z. B. auf Bewertungsportalen) sagt, die Lösung sei nicht in seinem Sinne gewesen. Bedanken Sie sich zum Schluss ein zweites Mal für den Hinweis und beginnen Sie im Anschluss mit der Umsetzung der Lösung. Zur Nachsorge schließlich gehört eine Rückmeldung über die Erledigung. Fragen Sie beim nächsten Gastkontakt noch einmal nach, ob jetzt alles in Ordnung ist. Dokumentieren Sie Reklamationen und Beschwerden, um diese für Ihren Qualitätsprozess zu nutzen. Jede Reklamation, die ungehört Ihr Haus verlässt, kann zu einem schlechten Image beitragen. Also animieren Sie Reklamationen vor Ort, um die Fehlerquote zu senken.
Text und Foto: Jürgen Stadelmann, zertifizierter Trainer und Coach, Metzingen (D). Titelbild: fotolia
Auf den Punkt gebracht:
- Reklamationen und Beschwerden sind ein Mittel zur Qualitätssteigerung.
- Beugen Sie Reklamationen durch definierte Qualitätsstandards vor.
- Entschuldigungen können auch teuer sein.
- Suchen Sie mit dem Gast nach Lösungen und holen Sie sich sein O.K.
- Bedanken Sie sich für die ausgesprochene Reklamation.