Gastlichkeit im Zeitraffer
Schon mal überlegt, wie der Serviceberuf entstanden ist? Und was heißt eigentlich Gastfreundschaft? Der Volkskundler Paul Rösch nimmt uns mit auf eine kleine Zeitreise durch die Jahrhunderte der Gastlichkeit.
Ein Streifzug durch die Geschichte
Gastfreundschaft ist ein Ausdruck der Zivilisation und seit jeher ein wichtiges Mittel der Kulturbildung. Die erste schulische Ausbildung für Servicepersonal gab es bei uns allerdings erst ab dem 20. Jahrhundert, davor bildeten Gaststätten und Hotels selbst ihr Personal aus. „Die Art des Bedienens, die Kleidung, das Benehmen entstammen jedoch aus lange gewachsenen Traditionen und gehen auf die Gepflogenheiten in adligen Herrscherhäusern zurück“, weiß der Volkskundler und ehemalige Direktor des Touriseums Paul Rösch zu erzählen. „Dort, wo die Bewirtung der Gäste Herrlichkeit und Prestige des Fürsten zum Ausdruck bringen sollte, war gutes Servicepersonal unerlässlich, um die Gäste zu beeindrucken. Eine strenge Rangordnung bestimmte hier, wer welche Aufgaben übernahm.“ Trancheur, Mundschenk und Seneschall standen dabei an der Spitze einer ganzen Brigade von Servierern. Deren Herkunft, Ausbildung, Erziehung, Figur und Aussehen unterlagen strengsten Kriterien.
„Das aufstrebende Bürgertum übernahm später viele dieser Rituale und ahmte die Lebensart des Adels nach, die Grandhotels wurden zu den Schlössern des Bürgertums. Die überlieferte Hierarchie im Service, vom „Pikkolo“ bis zum Oberkellner, geht auf die adeligen Bankette zurück. Der Butler fand Eingang in das Bürgerhaus, später auch in die Restaurants. Das Hausmädchen, jung und unverheiratet, daher auch Fräulein genannt (eine Bezeichnung, die sich teilweise bis heute hält), kam in die Bürgerhäuser und von dort in die Gaststuben. Deren weißes Schürzchen und Haube sollten zeigen, dass es sich um ein sauberes, vornehmes Haus handelt“, so Rösch weiter.
Weibliches Personal musste in den von Männern dominierten Gaststuben jedoch häufig um seinen guten Ruf fürchten. Da hieß es auch beim Trinkgeld aufpassen, denn zu viel davon konnte schon mal falsch interpretiert werden. Häufig war das Trinkgeld jedoch die einzige Einnahmequelle der Servierfachkräfte. „Oft mussten sie zudem mit dem Trinkgeld Zeitungen, Zahnstocher und Servietten kaufen. Es kam sogar vor, dass der Oberkellner mit seinem Trinkgeld den Hilfskellner zahlen musste“, weiß Rösch. Sozialreformer kritisierten später das Trinkgeldgeben als aristokratisches Gehabe, in Italien wurde es unter dem Faschismus glatt verboten.
Doch nicht nur die Geschichte des Trinkgeldes spiegelt eine politische Entwicklung wider. Paul Rösch meint sogar: „Anhand der Speisekarten lässt sich die politische sowie touristische Entwicklung Südtirols nachverfolgen.“ Die Speisekarten, wie wir sie heute kennen, sind erst im 19. Jahrhundert durch die öffentlichen Restaurants und den grundlegenden Wandel in der Art des Servierens, welcher sich Mitte des 19. Jahrhunderts in ganz Europa vollzog, entstanden. Doch warum waren die Speisekarten um die Jahrhundertwende auf Französisch geschrieben, wann sind erstmals die Spaghetti nach Südtirol gekommen, wann hielt die mediterrane Küche Eingang in Südtirol, was bekamen die Gäste in den Grand Hotels serviert?
In seinem Vortrag „Gerichte mit Geschichte“, den der Verein „Gastlichkeit in Südtirol“ am Donnerstag, 12. Oktober 2017 um 15 Uhr im Touriseum Meran organisiert, beantwortet Paul Rösch diese und andere Fragen und gibt viele interessante Geschichten zum Besten, die sich wunderbar zum Weitererzählen an die Gäste eignen. Im Anschluss an den Vortrag steht eine Führung durch das Touriseum auf dem Programm.